Deep Oscillation – Tiefenoszillierende Therapie in der physikalischen Medizin und Rehabilitation
Einleitung
Deep Oscillation (DO) ist ein physikalisch-therapeutisches Verfahren, das durch pulsierende elektrostatische Felder mechanische Schwingungen im Gewebe erzeugt. Ziel ist die Stimulation von lymphatischer Aktivität, Schmerzlinderung und Geweberegeneration. Die Anwendung erfolgt mittels eines Therapiegeräts (z. B. PHYSIOMED) über leitfähige Handschuhe oder Applikatoren. Die Therapie wird zunehmend in der Lymphologie, postoperativen Rehabilitation sowie der Schmerz- und Sportmedizin eingesetzt.
Wirkmechanismus (physikalisch und physiologisch)
• Elektrostatische Oszillation: Durch die Wechselfeldapplikation entsteht ein pulsierendes elektrostatisches Feld. Dieses bewirkt eine mechanische Tiefenwirkung im Gewebe – typischerweise zwischen 5 und 250 Hz.
• Mechanische Mikrovibration: Die elektrostatisch induzierte Reibung erzeugt eine rhythmische Bewegung in Haut, Bindegewebe und Lymphstrukturen – ähnlich einer „inneren Massage“.
• Tiefenwirkung: Die Schwingungen reichen bis in subkutane Schichten – je nach Frequenz, Intensität und Gewebebeschaffenheit.
Indikationen und Anwendung
Hauptindikationen:
• Primäres und sekundäres Lymphödem
• Lipödem (Schmerzreduktion, Spannungsgefühl)
• Postoperative Ödeme (z. B. nach Mammaplastik, Gelenkersatz)
• Traumatische Schwellungen (z. B. Sportverletzungen)
• Myofasziale Beschwerden, Muskelverspannungen
• Fibromyalgie-Syndrom
• Narbenbehandlung (verbesserte Mobilität, Regeneration)
Einsatzformen:
• Manuell durch Therapeut (mit leitfähigem Handschuh)
• Applikatorgestützt bei lokaler Behandlung
• Selbstanwendung durch geschulten Patienten (Home-Device)
Studienlage und Evidenz
Die wissenschaftliche Evidenz ist insgesamt noch begrenzt, jedoch wachsend. Es liegen sowohl klinische Studien als auch Fallberichte vor.
Lymphödem und Ödemtherapie:
• Kasseroller & Schraeter (2006):
Reduktion des Volumens bei Armlymphödem nach Mamma-OP um bis zu 15 % nach 3 Wochen DO (vs. konventioneller Therapie)
Quelle: Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 16(5), 254–258.
• Wikström et al. (2009):
Verbesserte Mikrozirkulation und subjektive Entlastung bei Patienten mit sekundären Lymphödemen
Quelle: Eur J Lymphol Relat Probl 17(55), 5–8.
Fibromyalgie:
• Wikström et al. (2010):
Verbesserte Schlafqualität, reduzierte Schmerzintensität, erhöhte Lebensqualität bei 24 Patienten (6 Wochen DO, 2x wöchentlich)
Quelle: J Rehabil Med, Abstractband DGRW.
Sportmedizin / Rehabilitation:
• Lehmann et al. (2012):
Verbesserte Regeneration nach Sportbelastung, Reduktion muskulärer Spannung (Fallserie, n=16)
Quelle: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 63(4), 105–109.
Postoperative Anwendung:
• Fricke et al. (2007):
Schnellere Abschwellung und geringere Schmerzintensität nach plastisch-chirurgischen Eingriffen
Quelle: Plast Reconstr Surg 119(7), 233.
Vorteile / Limitationen
Vorteile:
• Nichtinvasiv, gut verträglich
• Tiefe Wirkung ohne Gewebedruck
• Auch bei schmerzhaften oder berührungsempfindlichen Zuständen einsetzbar
• Kombination mit Lymphdrainage oder Manualtherapie möglich
Limitationen:
• Studien häufig mit kleinen Fallzahlen
• Keine unabhängigen Metaanalysen verfügbar
• Unklare Langzeiteffekte
Fazit: Deep Oscillation stellt ein innovatives, komplementäres Verfahren der physikalischen Therapie dar. Es ist besonders geeignet bei lymphatischen und schmerzhaften Zuständen, bei denen eine tiefenwirksame, mechanisch reizarme Therapieform benötigt wird. Die aktuelle Studienlage deutet auf eine gute Wirksamkeit bei Ödemen, Fibromyalgie und posttraumatischer Regeneration hin. Der Einsatz im Alltag sollte immer auf individueller Diagnostik basieren und sinnvoll mit anderen Verfahren kombiniert werden.
Literaturauswahl / Quellen:
1. Kasseroller R, Schraeter M. „Deep Oscillation in the treatment of breast cancer-related lymphoedema.“ Phys Med Rehabil Kurortmed 2006; 16(5):254–258.
2. Wikström B, et al. „Use of deep oscillation in fibromyalgia: a pilot study.“ Eur J Lymphol Relat Probl 2009; 17(55):5–8.
3. Fricke A, Kroschewski F. „Postoperative wound treatment with deep oscillation therapy.“ Plast Reconstr Surg 2007; 119(7):233.
4. Lehmann S, et al. „Physiotherapeutische Anwendung tiefenoszillierender Therapieformen bei Sportlern.“ Dt Z Sportmed 2012; 63(4):105–109.