Was ist ein Lipödem?
Das Lipödem ist eine chronische, meist schubweise verlaufende Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich Frauen betrifft. Charakteristisch ist eine symmetrische Fettvermehrung an Beinen und/oder Armen, die nicht proportional zur allgemeinen Gewichtszunahme steht. Das Gewebe ist druckempfindlich, neigt zu blauen Flecken, und Betroffene berichten über ein Spannungsgefühl, Schmerzen und schwere Beine – unabhängig von Bewegung oder Tageszeit.
Im Unterschied zur Adipositas ist beim Lipödem nicht einfach eine Energieüberladung, sondern eine krankhafte Fehlregulation des Fettgewebes die Ursache. Das Lipödem wird oft verkannt, fehlgedeutet oder zu spät erkannt – mit teils erheblichen körperlichen und seelischen Folgen.
Ursachen und Pathomechanismus
Die genaue Ursache des Lipödems ist noch nicht vollständig geklärt. Es gilt als wahrscheinlich, dass hormonelle Faktoren (v. a. Östrogene) und eine genetische Prädisposition die zentrale Rolle spielen. Typischerweise tritt das Lipödem erstmals auf:
- in der Pubertät,
- während oder nach einer Schwangerschaft oder
- in den Wechseljahren.
Studien zeigen strukturelle Veränderungen des subkutanen Fettgewebes:
- Hypertrophie und Hyperplasie von Adipozyten
- Vermehrte Kapillarpermeabilität → Flüssigkeitsaustritt ins Gewebe
- Chronisch niedriggradige Entzündungsprozesse
- Mikrozirkulationsstörungen mit verminderter Lymphtransportkapazität
Quellen:
- Forner-Cordero I et al. (2012). Lymphatic and venous functionality in patients with lipedema. Angiology, 63(6), 509–515.
- Herbst KL (2019). Rare adipose disorders (RADs) masquerading as obesity. Acta Pharmacol Sin, 40(10), 1241–1249.
Symptome und Diagnostik
Typische Merkmale des Lipödems:
Kriterium | Beschreibung |
Fettverteilung | Symmetrisch an Beinen (Typ I–III) oder zusätzlich Armen (Typ IV) |
Druckschmerz | Häufig bereits bei leichtem Druck |
Hämatomneigung | Häufige blaue Flecken ohne erkennbaren Auslöser |
Handschuh-/Fussspareffekt | Hände und Füße bleiben ausgespart |
Diätresistenz | Lipödem-Fett reagiert kaum auf Kaloriendefizit |
Ödemneigung abends | Verstärkung bei längerem Stehen oder Sitzen |
Die Diagnosestellung erfolgt klinisch und wird meist durch eine manuelle Untersuchung, Anamnese sowie ggf. bildgebende Verfahren wie Sonografie unterstützt.
Abgrenzung zu anderen Erkrankungen
Differenzialdiagnose | Unterscheidungsmerkmal |
Adipositas | Fett verteilt sich gleichmäßig am ganzen Körper |
Lymphödem | Meist einseitig, beginnt distal (z. B. am Fußrücken) |
CVI | Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz vorhanden |
Lipohypertrophie | Schmerzlos, keine Hämatomneigung, keine Ödeme |
Therapieansätze – schulmedizinisch & naturheilkundlich
Es existiert keine kausale Heilung, doch viele symptomlindernde Maßnahmen:
1. Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE)
- Manuelle Lymphdrainage
- Kompressionstherapie
- Bewegungstherapie unter Kompression
- Hautpflege
2.Liposuktion (in ausgewählten Fällen)
- V. a. bei starkem Leidensdruck und konservativ ausgereizter Behandlung
- Muss sorgfältig mit Lymphödem-Risiko abgewogen werden
3.Naturheilkundliche Ergänzungen
- Mikrozirkulationsförderung: z. B. Rotes Weinlaub, Rosskastanie, Bromelain
- Entzündungsmodulation: Omega-3-Fettsäuren, Kurkuma, Quercetin
- Lymphfluss-Stimulanzien: z. B. Mistelpräparate, Phytolacca, Schüssler-Salze Nr. 10 & 11
- Leber-/
Stoffwechselunterstützung: Bitterstoffe, z. B. Multiplasan Komplex 33
4.Infusionstherapien (z. B. bei starker Schmerz- und Ödembelastung)
- Einsatz von Elektrolytlösungen, homöopathischen Komplexmitteln, ggf. Antioxidantien
- Ziel: Entzündungshemmung, Gewebestabilisierung, Linderung von Druckschmerz
- Nur unter professioneller Anleitung!
Rolle der Labordiagnostik
Gerade bei chronischem Lipödem ist es sinnvoll, regelmäßig Laborparameter zu überprüfen:
- Entzündungsmarker (z. B. hs-CRP)
- Leberwerte und Lipidstatus
- Zink, Selen, Vitamin D, Omega-3-Index
- Aminosäureprofil (z. B. Glutamin, Arginin, Glycin für Gewebestabilität)
Diese Werte liefern wichtige Hinweise zur Geweberegeneration, zur oxidativen Belastung und zur Therapiekontrolle.
Fazit: Mehr als nur ein kosmetisches Problem
Das Lipödem ist eine systemische Erkrankung, keine „Fettverteilungs-Laune der Natur“. Betroffene benötigen:
- frühe Diagnosestellung,
- multimodale Therapie,
- und vor allem Verständnis für die Komplexität dieser Erkrankung.
Naturheilkundliche Maßnahmen können helfen, die Schulmedizin ergänzend zu entlasten, das Gewebe funktionsfähiger zu halten, entzündliche Schübe zu reduzieren und Lebensqualität zu steigern.
Quellen (Auswahl):
- Herbst KL et al. (2019). Lipedema Fat and Signs and Symptoms. Obes Med
- Forner-Cordero I et al. (2012). Angiology, 63(6), 509–515
- Reich-Schupke S et al. (2017). S1-Leitlinie Lipödem
- Cornely ME. (2014). Komplexe Entstauungstherapie – Grundlagen und Praxis.
- Deutsche Gesellschaft für Phlebologie – Leitlinien