Muskelhartspann – Wenn Muskeln verhärten und nicht mehr loslassen
1. Definition und Abgrenzung
Muskelhartspann – in der Fachsprache auch Myogelose genannt – beschreibt eine umschriebene Verhärtung der Muskulatur, tastbar als strähnige oder knotige Struktur. Betroffene berichten über dumpfen, lokalisierten Schmerz, oft verstärkt bei Druck oder Dehnung.
Im Unterschied zu einem Muskelkrampf ist Muskelhartspann nicht plötzlich spastisch, sondern eher chronisch anhaltend und oft Folge eines länger bestehenden Reizes (DocCheck Flexikon, 2024).
2. Physiologie – Was passiert im Muskel?
Ein Muskelhartspann ist das Ergebnis eines Teufelskreises aus neuromuskulärer Dysregulation und lokaler Minderdurchblutung:
1.Muskelspindeln & Golgi-Sehnenorgane melden eine Überlastung → Schutzspannung entsteht.
2.Die Daueranspannung führt zu Mikrozirkulationsstörungen, Sauerstoffmangel (Hypoxie) und lokaler Azidose.
3.Diese Stoffwechsellage verstärkt den Schmerz → der Muskel „hält“ die Spannung noch stärker (Schmerz-Tonus-Schmerz-Zyklus)
Auch segmentale Reflexe spielen eine Rolle: So kann eine Blockade in der Lendenwirbelsäule zu einem Hartspann der Hamstrings führen (Thermacare, 2023).
3. Ursachen – von Überlastung bis Equipmentfehler
3.1 Medizinisch-klassische Ursachen
•Akute Überlastung (z. B. Bergläufe, intensives Krafttraining)
•Mikrotraumata nach Zerrungen oder Prellungen
•Chronische Fehlhaltung und Dysbalancen
•Vegetative Faktoren: Stress führt über Sympathikusaktivität zu anhaltendem Hypertonus (DocCheck Flexikon, 2024)
3.2 Alltagsfaktoren – oft unterschätzt
Hier zeigt sich der Praxisblick: Viele Hartspannprobleme entstehen durch banale, aber dauerhafte Fehlbelastungen:
•Abgelaufene Laufschuhe (fehlende Dämpfung, veränderte Fußstellung)
•Alte oder ungeeignete Einlagen (verändern das Gangbild → kompensatorischer Hartspann in Waden & Oberschenkel)
•Kompressionsstrümpfe bei langen Läufen – falsch gewählt oder zu eng → Mikrozirkulationsstörung, muskuläre Ermüdung.
3.3 Ultraläufer-spezifische Faktoren
Erfahrungen aus dem Ultralauf zeigen:
1.Kompressionsstrümpfe werden vermieden – sie stören über viele Stunden die Thermoregulation und können Stauungen begünstigen.
2.Bündchen werden oft aufgeschnitten, um selbst kleinste Druckstellen zu verhindern.
3.Fußpflege ist essenziell – zu lange Nägel oder Hornhaut verändern das Abrollverhalten und provozieren Fehlspannungen bis hoch ins Becken.
4. Behandlung – Was hilft wirklich?
4.1 Akute Maßnahmen
•Sanfte Detonisation: Querfriktionen, leichte Massagen, Deep Oscillation oder manuelle Lymphdrainage fördern Durchblutung und Stoffwechsel (DocCheck Flexikon, 2024).
•Keine aggressiven Dehnungen in den ersten 24–48 Stunden, um Mikrotraumen nicht zu vergrößern.
•Chiropraktik / manuelle Mobilisation nur, wenn segmentale Dysfunktion nachweisbar ist.
4.2 Chronisch-rezidivierender Hartspann
•Manuelle Therapie & Chiropraktik zur Korrektur der Ursache (z. B. ISG-Blockade → Hamstrings).
•Trainingstherapie:
•Exzentrisches Training für Fasziengleiten
•Sensorimotorische Übungen zur Normalisierung der Muskelspindel-Regulation
•Blackroll & Selbstbehandlung erst nach professioneller Basistherapie, sonst nur Symptombehandlung.
•Regenerationskontrolle: HRV, Schlafqualität und Muskelkaterdauer sind gute Indikatoren für Überlastung.
5. Prognose & Prävention
Je nach Ursache löst sich ein Muskelhartspann innerhalb von 3–7 Tagen, chronische Myogelosen benötigen oft mehrere Wochen und eine ganzheitliche Behandlung.
Prävention:
1.Equipment regelmäßig überprüfen – Schuhe < 800 km, Einlagen 1× jährlich anpassen.
2.Belastungssteuerung optimieren – v. a. bei Läufern & Kraftsportlern.
3.Stressmanagement – vegetative Dysregulation ist ein häufiger unterschätzter Faktor.
4.Patientenaufklärung: Hartspann ist kein „banaler Knoten“, sondern ein Stoffwechsel- und Steuerungsproblem des Muskels.
6. Praxiskästen
Praxis-Check – Häufige Ursachen für Hartspann
Abgelaufene Laufschuhe
Alte Einlagen
Zu enge Kompressionsstrümpfe
Zu lange Fußnägel
Ultraläufer-Spezial – 3 goldene Regeln
1.Keine Kompressionsstrümpfe, Bündchen aufschneiden
2.Minimaldruck-Equipment
3.Fußpflege ist Pflicht – Nägel und Blasen frühzeitig kontrollieren
7. Fazit
Muskelhartspann ist ein multifaktorielles Geschehen. Wer nur lokal behandelt, bekämpft Symptome, nicht die Ursache. Ein Blick auf Alltagsfaktoren und Ausrüstung ist oft entscheidend – gerade bei Sportlern. Praktische Tipps wie regelmäßiger Equipment-Check oder das bewusste Weglassen von Kompressionsstrümpfen im Ultralauf sind ebenso wichtig wie manuelle und physiologische Therapien.
Quellen
•DocCheck Flexikon – Myogelose