Chiropraktik – zwischen Vorurteil und Evidenz

Chiropraktik – zwischen Vorurteil und Evidenz

Die Bedenken, dass regelmäßige chiropraktische Behandlungen Gelenke „ausleiern“ oder Bandscheiben schädigen könnten, sind weit verbreitet. Doch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse entkräften diese Mythen und bestätigen die Sicherheit der Chiropraktik, wenn sie von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird.

1. Chiropraktik und Gelenkstabilität

Ein häufiges Missverständnis ist, dass chiropraktische Justierungen Gelenke über ihren natürlichen Bewegungsumfang hinaus belasten und dadurch instabil machen. In Wirklichkeit bewegen sich fachgerecht durchgeführte Justierungen innerhalb des physiologischen Bewegungsspielraums eines Gelenks. Sie zielen darauf ab, die normale Beweglichkeit wiederherzustellen, nicht sie zu überschreiten. Daher besteht kein Risiko des „Ausleierns“ der Gelenke.

Eine Studie im Spine Journal fand heraus, dass chiropraktische Manipulationen eine sichere und effektive Behandlung für Rückenschmerzen darstellen, mit minimalen Risiken, wenn sie von einem lizenzierten Chiropraktiker durchgeführt werden.

2. Chiropraktik und Bandscheibengesundheit

Ein weiterer Irrglaube ist, dass chiropraktische Behandlungen Bandscheiben schädigen könnten. Tatsächlich können Justierungen die Beweglichkeit der Wirbelsäule verbessern und somit die Nährstoffversorgung der Bandscheiben fördern. Die Bandscheiben erhalten ihre Nährstoffe durch Bewegung (Diffusion), und eine verbesserte Beweglichkeit kann diesen Prozess unterstützen.

Eine systematische Überprüfung ergab, dass Spinalmanipulationen bei Patienten mit Bandscheibenvorfällen sicher sind und keine erhöhte Gefahr für Bandscheibenschäden darstellen.

3. Fazit

Chiropraktik ist eine sichere und effektive Methode zur Behandlung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparates. Die Befürchtungen, dass sie Gelenke „ausleiert“ oder Bandscheiben schädigt, sind unbegründet und durch wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegt. Wichtig ist, dass die Behandlung von qualifizierten Fachleuten durchgeführt wird, die die individuellen Bedürfnisse und Gesundheitszustände der Patienten berücksichtigen.

Quellen:

1. Camp Chiropractic. (2023). Chiropractic Myths Busted: What Science Really Says About Spinal Health.

2. Wikipedia. (2023). Disc herniation.

Die Darm-Hirn-Achse – Wissenschaftlicher Überblick und klinische Relevanz

Einleitung

Die sogenannte Darm-Hirn-Achse (gut-brain axis, GBA) beschreibt die bi-direktionale Kommunikation zwischen dem zentralen Nervensystem (ZNS), dem enteralen Nervensystem (ENS), dem autonomen Nervensystem sowie hormonellen und immunologischen Signalen des Gastrointestinaltrakts.

Sie rückt zunehmend in den Fokus bei funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom (IBS), aber auch bei Stress, Depressionen und psychosomatischen Störungen.

Strukturelle Grundlagen

Die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn erfolgt über mehrere parallele Systeme:

  • Der Vagusnerv als bidirektionale Datenautobahn zwischen ENS und ZNS
  • Das enterale Nervensystem (ENS) mit ca. 100 Mio. Neuronen
  • Neurotransmitter wie Serotonin (90 % davon im Darm gebildet), Dopamin und GABA
  • Immunologische Mediatoren (z. B. Zytokine) und die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse)

Klinische Bedeutung

Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden wie IBS zeigen häufig eine Störung der Darm-Hirn-Kommunikation. Diese manifestiert sich z. B. in viszeraler Hypersensitivität, Stressintoleranz, Schmerzverzerrung und psychosozialer Komorbidität.

Therapien mit Einfluss auf das ZNS (z. B. kognitive Verhaltenstherapie, Hypnotherapie, Antidepressiva) zeigen Wirkung bei gastrointestinalen Symptomen.

Somit wird das Reizdarmsyndrom zunehmend als biopsychosoziales Geschehen interpretiert, bei dem neuronale, hormonelle und immunologische Rückkopplungen eine Rolle spielen.

Kritische Bewertung des Mikrobiombezugs

In der öffentlichen Darstellung wird die Darm-Hirn-Achse häufig mit dem intestinalen Mikrobiom gleichgesetzt. Diese Vereinfachung ist nicht wissenschaftlich haltbar.

Zwar bestehen Hinweise, dass das Mikrobiom über Stoffwechselprodukte (z. B. kurzkettige Fettsäuren) die GBA beeinflussen kann, doch klinisch verwertbare Diagnostik- oder Therapieansätze fehlen bisher.

Ein evidenzbasierter Zusammenhang zwischen gezielter Mikrobiom-Manipulation und verbesserter neurologischer oder psychischer Funktion ist aktuell nicht belegt.

Fazit

Die Darm-Hirn-Achse ist ein wissenschaftlich belegtes Kommunikationssystem mit Bedeutung für funktionelle und psychosomatische Beschwerden.

Für die Praxis ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer integrativen Betrachtung von neurogastroenterologischen und psychosozialen Faktoren.

Vereinfachte Erklärungsmodelle über Mikrobiomanalysen oder Probiotika als direkte ‚Gehirntherapie‘ sollten kritisch hinterfragt werden.

Literatur

  1. Mayer EA et al. Gut/brain axis and the microbiota. J Clin Invest. 2015;125(3):926–938.
  2. Carabotti M et al. The gut-brain axis: interactions between enteric microbiota, central and enteric nervous systems. Ann Gastroenterol. 2015;28(2):203–209.
  3. Ford AC et al. Cognitive behavior therapy for irritable bowel syndrome: systematic review and meta-analysis. Am J Gastroenterol. 2009;104(7):1831–1841.
  4. Cryan JF, Dinan TG. Mind-altering microorganisms: the impact of the gut microbiota on brain and behaviour. Nat Rev Neurosci. 2012;13(10):701–712.

Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS) bei Arthrose

Eine wissenschaftliche Betrachtung:

Einleitung und Definition von TENS

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) ist eine nicht-invasive Methode zur Schmerzlinderung, bei der schwache elektrische Impulse über Elektroden durch die Haut an die Nervenfasern gesendet werden. Diese Impulse sollen die Schmerzweiterleitung zum Gehirn blockieren und die Freisetzung körpereigener Endorphine fördern.

Wirkungsweise bei Arthrose

TENS wird häufig bei Arthrose-Patienten eingesetzt, um die mit der Erkrankung verbundenen chronischen Schmerzen zu lindern. Durch die elektrische Stimulation wird die Schmerzübertragung gehemmt und die Muskulatur entspannt, was zu einer verbesserten Beweglichkeit und einer Reduktion der Schmerzmittel-Einnahme führen kann.

Studienlage und Evidenz

Die wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit von TENS bei Arthrose ist gemischt. Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2009 konnte keine signifikante Wirkung auf Schmerz oder Funktion bei Kniearthrose feststellen. Neuere Studien und Metaanalysen zeigen jedoch, dass TENS bei einigen Patienten zu einer spürbaren Schmerzlinderung und einer verbesserten Lebensqualität führen kann.

Praktische Anwendung bei Arthrose-Patienten

Die regelmäßige Anwendung von TENS kann Arthrose-Patienten helfen, ihre Schmerzen besser zu kontrollieren und den Bedarf an oralen Schmerzmitteln zu reduzieren. Dies trägt zu einer verbesserten Lebensqualität und Mobilität bei.

Fazit und Ausblick

TENS bietet eine vielversprechende, nicht-invasive Option zur Schmerzlinderung bei Arthrose. Obwohl die Studienlage nicht einheitlich ist, zeigen viele Patienten positive Ergebnisse. Weitere Forschung ist nötig, um die optimalen Anwendungsprotokolle und Langzeitwirkungen zu bestimmen.

Quellennachweis

Wissenschaftliche Quellen zu TENS bei Arthrose

1. Rutjes, A. W. S. et al. (2009)

“Transcutaneous electrostimulation for osteoarthritis of the knee.”

In: Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 4. Art. No.: CD002823.

DOI: 10.1002/14651858.CD002823.pub2

→ Diese Cochrane-Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss, dass die Evidenz für eine klinisch relevante Wirkung von TENS bei Kniearthrose zum damaligen Zeitpunkt unzureichend war. Es wurde auf heterogene Studiendesigns hingewiesen.

2. Osiri, M. et al. (2000)

“Electrotherapy for knee osteoarthritis.”

In: Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 4.

→ Ältere Cochrane-Analyse, die ebenfalls die Effektivität verschiedener Elektrotherapien (inkl. TENS) bei Kniearthrose untersuchte. Ergebnisse waren zurückhaltend, forderten aber weiterführende Forschung.

3. Giggins, O. M. et al. (2012)

“The effectiveness of TENS for knee osteoarthritis: a systematic review and meta-analysis.”

In: Clinical Journal of Pain, 28(3), 239–246.

DOI: 10.1097/AJP.0b013e31822b09b3

→ Diese Metaanalyse ergab, dass TENS bei einigen Patienten mit Kniearthrose eine signifikante Schmerzlinderung bewirken kann. Wirkung war allerdings abhängig von Frequenz, Dauer und Patientenmerkmalen.

4. Cheing, G. L. Y. & Hui-Chan, C. W. Y. (2003)

“Transcutaneous electrical nerve stimulation: Nonpharmacologic management of pain.”

In: Journal of Hand Therapy, 16(2), 132–140.

→ Überblicksartikel, der die Anwendung von TENS auch bei arthritischen Beschwerden im Rahmen nichtmedikamentöser Schmerzbehandlung bewertet.

5. Sluka, K. A. et al. (2013)

“Chronic pain mechanisms and treatment approaches with TENS.”

In: Physical Therapy Reviews, 18(5), 314–323.

→ TENS kann laut dieser Übersichtsarbeit bei chronischen Schmerzerkrankungen inklusive Arthrose wirksam sein, insbesondere bei richtiger Frequenzwahl.

Entzündungs- und Reizzustände im Gelenk

– Mechanismen und Differenzierung

Einleitung

Gelenkbeschwerden können sowohl durch Entzündungen als auch durch Reizzustände verursacht werden. Während Entzündungen die klassischen fünf Entzündungszeichen (Rötung, Überwärmung, Schwellung, Schmerz, Funktionseinschränkung) aufweisen, sind Reizzustände häufig milder und nicht immer mit allen diesen Zeichen verbunden.

Mechanismen der Entzündungsentstehung

Entzündungen entstehen durch eine Kaskade von biochemischen Reaktionen, die durch Entzündungsmediatoren wie Zytokine (z. B. IL-1β, IL-6, TNF-α) ausgelöst werden. Diese Zytokine werden von Immunzellen produziert und führen zu einer Entzündungsreaktion im Gelenk, die durch die klassischen Entzündungszeichen gekennzeichnet ist.

Reizzustände und ihre Differenzierung

Reizzustände entstehen häufig durch mechanische, chemische oder physikalische Reize, die zu einer lokalen Reaktion führen. Im Gegensatz zur Entzündung sind nicht immer alle fünf Entzündungszeichen vorhanden, und die Reaktion bleibt oft auf milde Symptome wie leichte Schwellung oder Schmerz beschränkt.

Fazit

Die Unterscheidung zwischen Entzündungs- und Reizzuständen ist wichtig für die therapeutische Herangehensweise. Während akute Entzündungen oft eine gezielte anti-entzündliche Behandlung erfordern, können Reizzustände häufig durch Schonung und Anpassung der Belastung gelindert werden.

Quellen

• Verywell Health. “Understanding the role of cytokines in joint inflammation.” Verfügbar unter: Link.

Der Einfluss des Elastizitätsverlusts des Knorpels …

…auf die Entstehung und Progression der Arthrose unter Berücksichtigung oxidativen Stresses und interzellulärer Kommunikation

Einleitung

Arthrose ist eine weit verbreitete, degenerative Gelenkerkrankung, die durch den Abbau von Gelenkknorpel und die daraus resultierende Funktionsstörung gekennzeichnet ist. Ein entscheidender Faktor in der Pathogenese ist der Verlust der elastischen Eigenschaften des Knorpels, der die mechanischen Belastungen nicht mehr adäquat abfedern kann.

Mechanismen des Elastizitätsverlusts

Der Verlust der elastischen Eigenschaften des Knorpels resultiert häufig aus einer Kombination von oxidativem Stress und mechanischer Überbelastung. Oxidativer Stress führt zu einer Schädigung der Chondrozyten und der extruazellulären Matrix, was die mechanische Stabilität des Knorpels beeinträchtigt.

Rolle von oxidativem Stress und interzellulärer Kommunikation

Oxidativer Stress stört die interzelluläre Kommunikation der Chondrozyten, was zu einer gestörten Homöostase im Knorpelgewebe führt. Dies beeinträchtigt die Regenerationsfähigkeit des Knorpels und beschleunigt den degenerativen Prozess.

Konsequenzen für die Arthroseentstehung

Der Elastizitätsverlust des Knorpels führt zu einer verminderten Fähigkeit, mechanische Belastungen zu verteilen, was zu weiteren Mikroschäden und entzündlichen Reaktionen führt. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Progression der Arthrose, die sich durch den fortschreitenden Abbau des Knorpels manifestiert, beginnt häufig mit einem Verlust der elastischen Eigenschaften des Knorpelgewebes. Dieser Elastizitätsverlust resultiert aus verschiedenen Faktoren, darunter oxidativer Stress und mechanische Überbelastung. Oxidativer Stress führt zu einer Schädigung der Chondrozyten und der extrazellulären Matrix, was die mechanischen Eigenschaften des Knorpels beeinträchtigt. Gleichzeitig wird die interzelluläre Kommunikation der Chondrozyten gestört, was die Homöostase des Knorpelgewebes weiter destabilisiert. Diese Kombination aus Elastizitätsverlust, gestörter Zellkommunikation und oxidativem Stress trägt maßgeblich zur Entstehung und Progression der Arthrose bei, was die Notwendigkeit präventiver und therapeutischer Maßnahmen zur Reduzierung von oxidativem Stress und zur Erhaltung der Knorpelgesundheit unterstreicht.

Quellen:

Aktuelle Studie zu oxidativem Stress und Arthrose (2021)

Überblick zu Kollagenschäden durch oxidativen Stress